Igel-Ganzjahresfütterung

Igel-Ganzjahresfütterung

Die Igel-Ganzjahresfütterung ist ein viel diskutiertes Thema. Der Trend, Wildtiere zu füttern, nimmt stark zu. Gerade im städtischen Siedlungsraum mit einer hohen Flächenversiegelung und kleinen Gärten kann die Insektennahrung schon mal knapp werden. Aus diesem Grund richten immer mehr Gartenbesitzer Futterstellen ein. Aber es gibt Schattenseiten. Wir möchten Sie über die Gründe für und wider der Fütterung von insektenfressenden Wildtieren aufklären.

Was spricht für die Igel-Ganzjahresfütterung?

Nahrungsmangel

Den Insektenfressern mangelt es vielerorts an natürlicher Nahrung. Es gibt nachweislich immer weniger Laufkäfer und andere Insekten in unserer Landschaft. Dabei wird nicht nur die Zahl der Insekten weniger, auch der Artenreichtum schrumpft. Je nach Lebensraum müssen Igel weit laufen, um satt zu werden und man will ihnen diese Wege verkürzen. Doch am besten gestaltet man dafür den eigenen Garten naturnah, sodass Insekten, Igel und andere Wildtiere selbst ausreichend Futter finden.

Wassermangel bei Trockenperioden

Immer öfter gibt es auch bei uns in Bayern anhaltende Hitze mit der Folge von staubtrockenem Boden und Wasser- und Nahrungsmangel. Bodenlebende Insekten und andere Weichtiere verkriechen sich in so tiefe Bodenregionen, dass sie für den Igel unerreichbar sind. Daher bietet man am besten eine Schale mit Wasser im Garten an.

Lebensraumverlust

Lebensräume werden durch Straßen zerstückelt. Die Baugrundstücke werden kleiner und mit bodentiefen Zäunen eingefriedet. Die Mehrheit der heutigen Gartenbesitzer will einen sauberen, funktional designten Garten. Besonders auffallend ist dieser Trend in Neubaugebieten. Doch diese Gärten wirken trostlos, keine Biene summt im Garten und Igel kommen oft gar nicht erst hinein. Daher bitte gut überlegen, ob diese Trostlosigkeit des Gartens die Zeitersparnis wert ist.

Und trotz Tristesse, gehört dem Easy-Garten die Zukunft. Eine studentische Untersuchung beschäftigte sich 2016 mit der Erreichbarkeit von Gärten für Igel in Hilpoltstein. Das Ergebnis war erschreckend: Nur noch 50% der Gärten sind für Igel direkt oder über große Umwege erreichbar. Alle anderen Gärten sind für sie verlorener Lebensraum.

Geschwächtes Immunsystem durch Nahrungsmangel

In seiner natürlichen Umgebung ist der Igel auf ein belastungsfähiges Immunsystem angewiesen, da er immer wieder Parasiten ausgesetzt ist. Mit seiner Nahrung, besonders durch Regenwürmer und Nacktschnecken, nimmt er Parasiten, wie Lungenwürmer, auf. Damit muss er ein ganzes Igel-Leben lang zurecht kommen. Ein Problem stellen diese Parasiten für untergewichtige Tiere dar, die meist ein geschwächtes Immunsystem haben, und damit kämpfen die Parasiten in Schach zu halten. Ihnen hilft ein naturnaher Garten mit einem reiche Insektenangebot.

Was spricht gegen die Igel-Ganzjahresfütterung?

Sozialstress und Futterneid

Igel sind von Natur aus Einzelgänger. Sie gehen sich aus dem Weg, um Konkurrenz zu vermeiden. Ausschließlich bei der Paarung und zur Jungenaufzucht können mehr Tiere gleichzeitig beobachtet werden. Treffen zufällig doch mal zwei Igel aufeinander, wird der Nachbar toleriert. Sie halten jedoch respektvoll Abstand!

An Futterstellen ist ein ganz anderes Verhalten zu beobachten:

Eine Fütterung spricht sich in „Igelkreisen“ schnell herum, sodass statt einem Tier plötzlich drei oder vier Tiere an der Futterstelle auftauchen. Das Zusammentreffen von vielen Tieren sorgt für Sozialstress und Futterneid. Boxkämpfe unter den Igeln sind keine Seltenheit. Meistens ziehen die Kleinen oder Schwachen den Kürzeren. Also die Igel, die eigentlich die Futterspende am nötigsten hätten. Auch mehrere Futterstellen im Garten bringen nur wenig Frieden in die Igel-Ansammlung. Da wo einer frisst, wollen die anderen auch fressen.

Übertragbare Krankheiten

Igelfutterstellen sind Infektionsquellen. Viele Erreger gefährlicher Krankheiten werden auf einfachste Weise weitergereicht. Bestimmte Kotplätze gibt es nicht. Sie erledigen ihr „Geschäft“ überall. Sie kratzen sich wenn’s juckt – und das an Ort und Stelle. So kommen sie zwangsläufig mit den Ausscheidungen anderer Igel in Kontakt und übertragen damit ihre Innen- und Außenparasiten. Selbst wenn der Igelfreund akribisch auf Hygiene achtet, kann eine Ansteckung nicht ausgeschlossen werden.

Schlechte Futterqualtität

Das größte Problem an der Igel-Fütterung ist fehlendes Wissen über artgerechtes Futter. Igel brauchen eine fett- und proteinreiche Nahrung, die sie am besten durch Insekten bekommen. Billig-Katzenfutter für Igel ist so weit entfernt von NORMAL wie altes Brot für Enten.

Igeltrockenfutter besteht häufig überwiegend aus Getreide, Körnern, Nüssen und Obst. Also aus Zutaten, die ein Igel in der Natur nur in Ausnahmefällen oder zufällig frisst. Manche Igel haben eine Schwäche für Süßes. Und die Industrie nutzt diese Vorliebe gerne für den Futter-Zusatz von Honig „für den köstlichen Geschmack“. Beim Kauf von Igeltrockenfutter sollte deshalb auf die Zusammensetzung geachtet werden. Auch sollten gewisse Nährwertangaben beachtet werden, wie der Rohprotein- (mehr als 30 %) und Rohfettanteil (mindestens 20 %). Doch auch dieses Futter sollte nur ergänzend beispielsweise gemischt mit Katzenfeuchtfutter und nie als Hauptfuttermittel gegeben werden.

Feuchtfutter für Katzen und Hunde ist nur bedingt geeignet. Viele auf dem Markt erhältliche Hunde- oder Katzenfuttersorten bestehen nur zu einem geringen Teil aus Fleisch, der Rest ist Getreide oder pflanzlichen Ursprungs; manchmal ist auch Zucker beigemischt. Durch die dauerhafte Fütterung mit schlechtem Futter können Igel an Nährstoffmangel, Stachelverlust, Durchfall oder Zahnstein leiden. Deshalb sollte Feuchtfutter mit einem Fleischanteil von mindestens 60% verfüttert werden und mit gekochtem Fleisch, Ei oder Fisch aufgewertet werden. Auch ist auf eine möglichst geringe Menge an Proteinkonzentraten, Zucker, Melasse, pflanzlichen Erzeugnissen und Konservierungs- oder Farbstoffen zu achten. Am besten ist es dabei natürlich, wenn das Feuchtfutter keinen dieser Bestandteile enthält.

Der genetische Austausch

Igel kennen und merken sich Futterstellen und besuchen diese Orte nahezu täglich. Somit werden die nächtlichen Lauf-Routen kürzer und der „Igel-Lebensraum“ kleiner. Die Tiere müssen nicht mehr weit laufen, um eine Partnerin zu finden. Die Paarung mit nahen Blutsverwandten ist zwar auch im Tierreich verpönt, aber oft die einzige Möglichkeit, sich fortzupflanzen. Inzuchten sind jedoch viel krankheitsanfälliger.

Es gibt im Tierreich eine ganze Reihe von Strategien, um enge Verwandtschaften zu vermeiden. Die Lebensform als Einzelgänger ist eine davon. Straßen und unüberwindbare Gartenzäune schränken den genetischen Austausch ein. Eine Fütterung aber noch viel mehr.

Paarungskämpfe

Ein weiteres Problem sind die zunehmenden Konkurrenzkämpfe der Männchen um paarungsbereite Weibchen. Die gab es zwar schon immer, an Fütterungen aber wesentlich häufiger. Igelpfleger müssen mittlerweile häufig Männchen mit Beißverletzungen behandeln.

Futter zieht andere Tiere an

Zunächst denkt hier jeder an Katzen. Aber unzählige Videobeweise zeigen, dass auch Marder, Mäuse, Ratten, Füchse, Wiesel oder sogar Hasen und Rehe von Futterstellen angezogen werden. Sehr unangenehm sind auch die unzähligen Nacktschnecken, die ebenfalls durchgefüttert werden.

Gewohnheit 

Es gibt Tiere, die verlassen sich auf die Fütterung und kommen täglich. Zum Glück ist nicht jedes Tier gleich. Manche Männchen verzichten sogar auf das angebotene Futter während der Paarungszeit. Weibchen jedoch bleiben der Fütterung oft treu. Es ist eine deutliche Veränderung der nächtlichen Lauf-Routen zu beobachten.

Gerne können Sie das selbst testen: Stellen Sie an 5 aufeinanderfolgenden Tagen Futter am gleichen Ort und zur gleichen Uhrzeit zur Verfügung. Spätestens nach vier Tagen können Sie die Uhr nach dem Erscheinen des Igels stellen.

Übergewicht

Manche Igel kennen kein Sättigungsgefühl. Sie fressen, fressen und fressen. Immer häufiger werden uns Igel mit einem Körpergewicht von 1500 Gramm und mehr gemeldet. Kein gesunder Igel kann durch eine natürliche Ernährung so fett werden. Das Tier auf dem Video schafft es kaum alleine, sich aus seiner misslichen Rückenlage zu befreien.

Falsches Mitleid

Viele Igel werden ganzjährig gefüttert und manchmal sogar im Garten eingesperrt.Grund: „Damit sie keine gefährlichen Straßen überqueren müssen“. Dieses Argument hat nichts mit Nahrungsmangel zu tun. Igel sind Wildtiere, es ist verboten sie einzusperren oder festzuhalten. Sie haben ein Recht, den Garten wieder verlassen zu dürfen.

Zusammenfassung: Füttern das ganze Jahr? Bitte nicht!

Der einfachste Weg, Wildtiere im Garten zu beobachten, ist die Fütterung. Sie ist pädagogisch wertvoll, jedoch keine Lösung zur Erhaltung einer Tierart. Eine Fütterung kann kurzfristig helfen. Sie kann aber auch für große Probleme sorgen.

Es gibt kein Igel-Futter zu kaufen, das den natürlichen Bedürfnissen eines Insektenfressers entspricht. Wer einen kranken Igel findet, kann ihn durch eine Fütterung allein nicht gesund pflegen. Das Tier braucht eine medizinische Versorgung und hochwertiges, artgerechtes Futter.

Die einfachste Lösung ist ein wildtierfreundlicher Garten. Insektenhotels, Laubhaufen, Holzstapel, Totholz, Igelhäuser und Futterpflanzen für Insekten- wer im eigenen Garten etwas für unsere Igel tun möchte, hat viele Möglichkeiten. Und kommt er durch schlechte Wetterbedingungen in Bedrängnis, dann helfen Sie ihm mit einer kurzfristigen Zufütterung im Garten. In der Regel findet die Zufütterung im zeitigen Frühjahr und im Spätherbst statt. Während langer Trockenperioden kann eine Fütterung ebenfalls sinnvoll sein. Frisches und sauberes Wasser bitte das ganze Jahr über aufstellen.

Futter-Tipps für hilfsbedürftige Tiere

Für die kurzfristige Igelfütterung z.B. im Spätherbst oder während langer Trockenperioden im Sommer ist hochwertiges Katzen oder Hundefutter als Basisfutter geeignet. Angereichert mit Proteinen (Insekten, Krebs- und Weichtiere, Fisch, Eier) und Futtermittelzusätzen (ungesättigte Fettsäuren, Kalzium, Mineralstoffmischung für Fleischfresser) kann daraus kein perfektes aber ein hochwertiges Igelfutter hergestellt werden. Mehr Informationen zum „richtigen Füttern von Igel“ erhalten Sie auch von pro Igel e.V.